Die Wiederbelebung alter Marken

Marken, die sich vor einigen Jahrzehnten nicht mehr am Markt behaupten konnten, können heute wieder tüchtige Zugpferde für das Marketing sein. Sie profitieren dabei sowohl von einer außergewöhnlich lang anhaltenden Retrowelle als auch von der Sehnsucht der heutigen Konsumgeneration nach den Produkten ihrer Kindheit.

Die Rückkehr der Hosentaschentorte

„Kleine Torte statt vieler Worte“ lautete in den 80er Jahren ein berühmter Slogan der Fernsehwerbung. Angepriesen wurde den meist begeisterten Zuschauern dabei das berühmte Yes Torty, eine eigentümliche Mischung aus Schokoriegel und Kuchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, die es in diversen Supermärkten und bei Discountern zu kaufen gab. In der Werbung war Yes vor allem ein Objekt des Trostes. Wenn alles schief läuft, wenn Unglück, schlechtes Wetter und harte Schicksalsschläge einem den Geburtstag vermiesen, hilft immer noch ein Yes Torty, so die Botschaft. Den ersten Knacks bekam dieses wunderbar heimelige Image im Jahr 1998 durch Untersuchungen des WDR-Fernsehmagazins Servicezeit. Eifrige Journalisten konnten in einem Yes-Törtchen (Geschmacksrichtung Karamell) 0,25 Gewichtsprozent Alkohol nachweisen. Zwar erklärte Hersteller Nestlé seinerzeit, die geringen Mengen an Alkohol seien mit denen in anderen Lebensmitteln wie Fruchtsäften oder Kefir zu vergleichen und daher ernährungsphysiologisch zu vernachlässigen – aber das Yes-Image aus der Werbung hatte einen Knacks. Noch weiter zurück ging der Verkauf als Aldi und weitere Supermärkte das Produkt aus dem Sortiment nahmen und es durch No-Name-Klone ersetzten. 2003 wurde Yes schließlich eingestellt, was auch insofern historische Bedeutung hatte, als dass mit der Einstellung der Yes-Produktion der Niedergang des Nestlé-Produktionsstandorts Berlin einherging, der bis dahin die größte Schokoladenfabrik der Welt gewesen war. Bis Oktober 2010 war das berühmte Yes Torty dann jeweils für kurze Zeit wieder auf dem Markt bevor es den Riegel ab April 2011 wieder dauerhaft gab. Nestlé übernimmt dabei nur noch die Markenführung – Produktion und Vertrieb liegen nun beim Soester Gebäckunternehmen Kuchenmeister. Der Wiedereintritt des Yes-Törtchens in den Markt ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte, schließlich erfreuen sich heute wieder alt und jung an der „kleinen Torte“. Ein bisschen verträglicher geworden ist diese jetzt übrigens auch: Sie wiegt nur noch 32 und nicht mehr 38 Gramm. Bislang verzichteten Enthüllungsjournalisten auf eine Überprüfung des Alkoholgehalts.

Das Lavalampensirup

Auch der Getränkesirup Tri Top weckt bei vielen Kindern der 60er, 70er und 80er Jahre Erinnerungen. Zum Anrühren eines Getränks mit Wasser oder Milch genügte ein Schnapsgläschen Tri Top und das gesamte Glas war erfüllt von Waldmeister, Himbeer-Aroma oder anderen Geschmacksrichtungen. Dazu kam die extravagante Form der Glasflaschen, die Lavalampen zum verwechseln ähnlich sahen. Tri-Top-Fans verwendeten den dickflüssigen Sirup nicht nur zum Anrühren von Getränken, sondern auch als Soße für Süßspeisen, etwa über Eis oder trockenem Kuchen. Dennoch verschwand das Produkt mangels Nachfrage Ende der 80er Jahre vom Markt. Nachdem der Markenschutz abgelaufen war, sicherte sich die Firma DS-Produkte Dieter Schwarz GmbH den Markennamen und stellte den Sirup ab 2003 nach neuem Rezept her. Nicht nur wurden Teile des Zuckers dabei durch Süßstoff ersetzt, auch musste die charakteristische Glasflasche einer neuen PET-Kunststoffflasche weichen. Trotz anfänglich hohem Zuspruch musste das Unternehmen Mitte Juli 2009 Insolvenz anmelden. Seit 2010 besitzt das Rosenheimer Unternehmen DrinkStar GmbH die Rechte an Tri Top. Der Sirup wird nach wie vor verkauft, konnte allerdings nicht mehr an seine frühen Erfolge anknüpfen – es ist bei Marken eben nicht anders als bei Musikern: Irgendwann leben sie nur noch vom Ruhm vergangener Tage.

Authentizität als Schlüsselreiz

Wie Yes Torty und Tri Top Sirup zeigen können Wiederbelebungsaktionen bei Marken sehr unterschiedlich verlaufen. Über Erfolg oder Misserfolg entscheiden zweifellos mehrere Faktoren. Es kommt im Kern darauf an, dass es der Marke gelingt, ihren alten Charme auch heute noch zu transportieren. Dabei ist es hilfreich, alte Designs und Markenauftritte nur sehr behutsam und im Detail anzupassen und keine grundlegenden Eigenschaften zu verändern. Tri Top stammt aus einer Zeit, in der Plastikflaschen und Süßstoffe für die Deutschen Absonderlichkeiten aus den USA waren und das Produkt ließ sich damit einfach nicht verbinden. Natürlich hatte sich aber auch der Getränkemarkt stark verändert – Limonaden müssen heute unbedingt auch in einer Light- oder Sport-Version erhältlich sein und Jugendlichkeit und Frische ausstrahlen. Dagegen vergeht die wohlige Wärme eines kleinen Karamell-Kuchens offenbar nie.

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